Die Straße hat Jonathan die Worte geraubt
Jeden Sonntag besucht Jonathan* seine Familie. Je näher er seinem Zuhause kommt, desto mehr leuchten seine Augen. Er öffnet ein Holztor. Sie sind zuhause. Die Mutter, die fünf jüngeren Schwestern, der Stiefvater. Ein Grundstück rund neun auf 16 Meter. Ein Schlafzimmer für alle. Die Küche. Ein Blechdach, beschwert mit alten Autoreifen.
Jonathan blieb von der Schule und seinem Zuhause fern
Jonathans Mutter war 14 Jahre alt, als sie nach Lima kam und ein Mann ihr Gewalt antat. Sie kannte ihn nicht. Jonathan kam auf die Welt. Sie lernte ihren Mann kennen und bekam fünf Mädchen. Jonathan war zu der Zeit halt so "rebellisch". Er schwänzte die Schule und kam nicht nach Hause. Eine Nachbarin erzählte von einem Heim, in dem Kinder bleiben und in die Schule gehen können. Ein Sozialarbeiter stellte den Kontakt zur „Casa Don Bosco“ her, dem Jugendheim der Salesianer.
Jonathan sprach kein Wort
Als Jonathan mit seiner Mutter dort ankam, brachte der damals 13-Jährige kaum ein Wort über die Lippen. Seine Schulbildung entsprach der eines Achtjährigen. Und er schien stumm. Die Seelsorger und Erzieher, die sich mit ihm und der Mutter zusammensetzten, kamen zu dem Schluss, dass Jonathan ein intelligenter Junge ist, dem nur eines fehlte: die Sprache, um Leid und Hoffnung auszudrücken.
Langsam findet er seine Sprache wieder
„Jonathan war schulisch weit zurückgeblieben“, erzählt die Psychologin Susana Duràn. Doch mit der HIlfe des Teams büffelte Jonathan jeden Tag, um die verlorenen Grundschuljahre aufzuholen. Was kaum jemand zu Beginn für möglich gehalten hatte: Jonathan hat den Sprung in die nächsthöhere Oberstufenklasse geschafft. „Langsam“, sagt die Psychologin Susana Duràn, „findet er zu seiner Sprache zurück – und damit auch zu seiner Selbstachtung. Das ist das Wichtigste.“
*Name von Redaktion geändert
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Die meisten Straßenkinder kommen aus zerrütteten Familien. Sie fliehen vor Armut und Gewalt und leben deswegen auf der Straße. Viele Kinder laufen aber auch Gefahr, auf der Straße zu landen. Deswegen sind Straßenkinder für uns auch Kinder und Jugendliche, die öfter auf der Straße Zuflucht suchen oder auf der Straße arbeiten müssen, um zum Lebensunterhalt ihrer Familien einen Beitrag zu leisten. Auch Kinder, denen es an den wichtigsten Dingen wie Liebe, Geborgenheit, Essen und Schulbildung mangelt, laufen Gefahr, ganz auf der Straße zu landen. Dazu gehören zum Beispiel Schulschwänzer, missbrauchte Kinder oder Kindersklaven.
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Auf der ganzen Welt betreiben wir sogenannte Straßenkinder-Zentren, also Einrichtungen, in denen Straßenkinder Hilfe bekommen können. Der Besuch oder der Verbleib in den Straßenkinder-Zentren ist immer freiwillig. Für manche Kinder wird das Zentrum ein neues Zuhause, manche kommen nur ab und an zum Spielen vorbei oder um sich ein paar Stunden auszuruhen oder etwas zu essen.
Die Erstversorgung bspw. mit Kleidung und Essen ist notwendig, denn niederschwellige Angebote ermöglichen es uns, Kontakt zu Straßenkindern aufzubauen. Darüber hinaus ist uns langfristige, nachhaltige Hilfe ein besonderes Anliegen. Durch unsere Straßenkinder-Einrichtungen gelingt es,
- Kontakt zu Straßenkindern aufzunehmen und sie erstzuversorgen,
- Straßenkindern ein Zuhause zu bieten mit Menschen, die sich um sie kümmern,
- Kindern und Jugendlichen durch Bildung und Qualifikation neues Selbstvertrauen zu schenken,
- Kinder und Jugendliche zu befähigen, ihr Leben eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen und positiv in die Zukunft zu blicken.
Damit Straßenkinder von unseren Hilfsangeboten erfahren, suchen Streetworker die Straßenkinder direkt in ihrem Lebensumfeld auf, also auf der Straße. Sie sprechen sie an und versuchen, Kontakt aufzunehmen. So kann langsam und behutsam Vertrauen aufgebaut werden. Wenn das gelingt, bieten sie den Kindern Freizeit-, Lern- oder Gesundheitsangebote an.